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BURGHARD

8 der vermeintlichen/tatsächlichen Neutralität des öffentlichen Raums begegnen? In der Tat konfrontiert uns ein künstlerisches Projekt, wie es burghard (als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Romy und Stef Rich- ter) vorlegen, alleine schon auf der Ebene der Präsentation mit allerhand offenen Anschluss- stellen. Dieses Projekt wirft aber auch in Hin- blick auf Material und Gestaltung der Arbei- ten, deren Formate und Arrangements sowie Situation und Adressat, worauf sie zielen, Fä- den in sehr verschiedene Richtungen aus. Bzw. bezieht es sich in unterschiedlicher Weise auf das Viereck aus Institution und individueller künstlerischer Praxis, Konzeptualität und ei- gentlichem (Kunst-)Werk. Glasscheiben, Schraubzwingen, Nadeln, Mobi- liar, Papierbögen, Porzellanplatten, Stoff- und Textilbahnen, Dia- und Overhead-Projektoren, Beamer, handgeformte Tonklumpen, gefunde- ne, industriell gefertige Sanitärspiegel, Bild- und Textausrisse unterschiedlicher Provenienz, Postkarten, Informationsflyer, Landkarten, Texte, Kunstmagazine, Bücher, typographi- sche Muster, Schriftanimationen oder -arran- gements, modulare und variabel einzusetzende Tisch-, Regal- und Displaysysteme, soziolo- gisch motivierte Recherchen, ein Stuhl, Grund und Boden, bestehende Architektur, konkrete Bauteile und die eigenen Atelierfenster ... Nicht, dass sich die Liste endlos fortsetzen ließe – doch muss unbedingt auffallen, dass die von burghard verwendeten Materialien, sei es als Rohmaterial oder in bearbeiteter bzw. künst- lerisch oder typografisch gestalteter Form, genauso vielfältig wie heterogen, so exzentrisch wie konven- tionell und dabei mindestens so kunsttypisch wie -fern be- schaffen sind. Zwar dürfte es uns nicht schwerfallen, diese nach Ort und Vermittlungskontext, Anlass und Intention platzierten Arbei- ten bzw. ihren spezifischen Darstellungsmodus als Werk, Ar- rangement, private oder öffentliche Intervention und Ausstel- lungstableau sozusagen unmittelbar ‚als Kunst’ zu erkennen. Darüber hinaus sind es freilich gerade die vielfältig-heteroge- nen Materialien, die derart formal wie inhaltlich, buchstäblich wie metaphorisch eingesetzt und nach Anlass bzw. Kontext spezifisch codiert, die für Kohärenz innerhalb des Projekts sorgen – indem sie paradoxerweise als multifunktionale Ge- staltungsmittel und Ideenträger fungieren. Dabei scheint gerade der Schritt vom bloßem Material und seiner Konkretisierung in der künstlerischen Arbeit/als Werk- form konzeptionell wie gestalterisch neuralgisch: tauchen in der Einzelausstellung ‘Steig’3 etwa gefundene Sanitärspiegel unter dem Titel ‘raum’() (2009) – als flache Stapelung mit der Spiegelfläche zum Boden hin auf, die zugleich im Hinter- grund mit überlagerten Lichtflächen zweier Overhead-Projek- toren korrespondiert, verselbstständigen sich die Spiegel für ‘Raum (mirrors)’ (2009) zu einem installativ unter die Decke gehängten, formal-disfunktionalen Arrangement. Die Spiegel spiegeln nichts anderes als die Decke darüber, beschreiben so aber dennoch einen für den Betrachter nur nicht einsehbaren Raum innerhalb des Raums4 . Das Material Spiegel entspricht so einerseits gänzlich seinen inhärenten Qualitäten, gewinnt andererseits in der situativen Gestaltungsform aber eine zu- sätzliche Ideen- oder Referenzebene. Es ist das Spannungsverhältnis zwischen der konkreten An- wesenheit bzw. Qualität des Materials und den sehr vielfäl- tigen referenziellen und kontextuellen Ebenen, die darüber angetriggert werden, welches burghards Projekt einer- seits mit ortsbezogen installativen Praktiken der historischen Konzeptkunst verbindet. Andererseits verweist der deutlich in den einzelnen Arbeiten (wie in deren situativen Platzierung im Rahmen der Ausstellung) präsente Aspekt des Formal-Gestal- terischen auf jene sehr zeitgemäße Frage nach dem Werkcha- rakter künstlerischer Arbeit. Der letztere Aspekt wird nicht nur im Kapriziösen der Ma- terialwahl deutlich: immerhin ist hierbei die enorme Spanne zwischen Rohmaterialien (wie Ton, Stoff und Papier, die mit Eigenschaften wie roh, pur, unbehandelt oder ursprünglich konnotiert sein könnten) und dem technischen Instrumenta- rium etwa von gebeamten Text-/Typographie-Animationen zu verzeichnen. Ja er wird förmlich auf die Spitze getrieben durch die komplex obskuren Transformations- oder Codie- rungsprozesse, die burghard den Materialien konzep- tionell hinterlegen: wenn etwa die statistischen Daten eines Raumplans oder architektonischen Volumens in passgenaue, darauf abgestimmte Papierabdeckungen oder Textilfutterale5 übersetzt werden; wenn zeitbasierte Phänomene in physikali- sche Prozesse übertragen werden; wenn Ordnungs- oder Auf-

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